Mit spitzer Feder …
Es ist eine Neverending-Story: Schöne Dinge machen mich glücklich. Und damit meine ich extravagante Kleider, Schuhe, Accessoires, Bilder und schicke Einrichtungsgegenstände. Grundsätzlich bin ich mir ja eigentlich seit Jahren einig: Ich will das Shoppen auf ein Mindestmass reduzieren, keine flüchtigen Trendteile mehr kaufen und in hochwertige Klassiker investieren und mein Budget nicht mehr vergewaltigen. Gerade habe ich bei meinem Umzug kistenweise meinen Schrank erleichtert und fühle mich sehr gut damit. Allerdings bin ich nach vier Monaten schon wieder soweit, dass sich wieder viel zu viele Kleider in meinem Schrank stapeln und an einer zusätzlichen Kleiderstange aneinander quetschen. Und trotzdem kommen der Wunsch und das Gefühl immer wieder, etwas Neues zum Anziehen zu haben. Ich habe schon einiges ausprobiert: Selbstauferlegte Shopping-Verbote, die eigene Kreativität angekurbelt, um damit länger Freude am Inhalt des Kleiderschrankes zu haben. Ebenso habe ich mit meiner Psychiaterin darüber gesprochen, um der Ursache auf den Grund zu gehen. Aber dieses Muster aus der Kindheit lässt sich nicht so leicht wegradieren. Es scheint tief verankert in meiner DNA zu sein. Kleine Erfolge verbuche ich zwar, aber das verflixte Schema taucht immer wieder auf und plagt mein inneres Kind.
Ein guter Trick, um wirklich nur das zu kaufen, was einen längerfristig Freude bereitet, wäre zum Beispiel, sich vor dem Kauf mindestens fünf verschiedene Kombinationsmöglichkeiten mit der schon vorhandenen Garderobe zu überlegen. Gut und recht – aber die Praxis sieht halt anders aus: Da marschiere ich beispielsweise durch die Kleiderabteilungen von Loeb, Globus etc., welche es meisterhaft verstehen, die neue Herbst-/Winterkollektionen möglichst vorteilhaft zu präsentieren. Und kaum habe ich mich versehen, kaufe ich trotz 35 Grad im Schatten einen grobgestrickten roten Pullover und kann es kaum erwarten, ihn zu tragen. Und schon dreht das Gedankenkarussell: Brauche ich das wirklich? Oder etwa doch nicht? Gäbe es eine günstigere Variante? Nein, wenn schon dann edel und langlebig, kommt auch dem Klima zugute, ist ja für einen guten Zweck! Ich schlendere weiter durch das verführerische Paradies von Farben, Stoffen, Gestricktem, Samt und Seide. Die edlen Kleiderkreationen faszinieren mich, und ich kleide mich vor dem geistigen Auge in diese. Ich staune, spüre und fühle die feinen Stoffe und den flauschigen Strick, prüfe die schön verarbeiteten Nähte, rieche das neue Material und wie in Trance probiere ich das Teil, kombiniere, rechne und kaufe es oder lasse es wehmütig am Ständer hängen oder im Regal liegen – setze es aber sofort auf meine Kleiderliste für Neuanschaffungen. So geht dies – Saison für Saison.
Und dann wäre da noch die Wucht der Tüten. Die Tragetaschen aus Hochglanz mit den Logo schwarz auf weiss – CHANEL. Meine Lieblingsmarke, meine Passion, seit ich das erste Mal ein Hochglanzheft in der Hand hielt. Ein Extrastreifen Papier am Boden schützt vor dem Durchhängen, die Henkel sind Kordeln von Qualität. Mit dieser Tüte am Arm fühle ich mich glamourös wie Audrey Hepburn oder Coco Chanel persönlich. Nicht selten umfängt mich in der Sekunde des Bezahlens eine kurze moralische Flaute – ach wie ich das hasse! In diesem Moment ist die opulente Papiertasche mein Anker, meine Rettung. Sie wirkt Wunder und schon ist der schwache Augenblick der Reue vorbei und das Geschäft mit Manufakturpapier und Markenstempel offiziell besiegelt. Schon ist der Kauf dank dieser wunderbaren Taschen mit einem Seidenpapier als Deckel, eingehüllt in einen Chanel-Duft, zum Geschenk geadelt. Die Stoffkordeln fühlen sich in der Hand so richtig gut an, dass ich automatisch damit einen beschwingten Gang anschlage. Die Strahlkraft der Luxus-Papiertüte hat ihre volle Wirkung entfaltet, fast wie eine Schmerztablette. Zuhause wird die Tüte dann als rarer Schatz gehortet, wie sämtliches Verpackungsmaterial oder leere Parfümflaschen von Chanel.
Deshalb: ein komplettes Shoppingverbot würde mich unglücklich machen – nein es ist unvorstellbar – da bin ich mir sicher. Ab und zu ein neues Teil macht Spass, tut gut und bringt vor allem wieder einen neuen Schwung. Tja, ab und zu – das richtige Mass behalten und mit Bedacht neue Teile aussuchen, das ist mein Vorsatz für diesen Herbst und Winter. Und einfach mal ein bisschen öfter darüber nachzudenken, für was man so sein Geld ausgibt.
Herzlichst,
Ihre Corinne Remund
Verlagsredaktorin